Der Eggerbauer erzählt von einem unvergesslichen Almabtrieb im Tiefschnee
WIR FAHREN weiter und sehen nach einer leichten Kurve die ganze Länge des Heutals bis zur Wildalm vor uns in der Ferne.
Drüben auf der linken Seite am Fuße des schattigen Steilhangs, wo früher der Weg entlang führte, haben alte Bauern eine Erinnerung von der der alte Egger, Sebastian Wimmer sen. erzählt:
Almabtrieb im Tiefschnee
Der Winter 1935 ist ein überaus schneereicher Winter. Auf der Gschieberstube kommen die Rösser nicht mehr aus der Hütte. Und es schneit ohne Ende weiter. Im Heutal sind noch viele Kaser bewirtschaftet. Es droht ein Schneechaos. Zur Rettung der Sennerinnen und des Viehs aus dem Heutal wird Alarm gegeben. Wenn das Heutal nicht sofort evakuiert wird, kann niemand mehr das Tal verlassen, denn es schneit unaufhörlich. Auf dem Heimhof wird eingespannt, die Fuhrwerke stapfen ins Heutal. Das Eggerross macht die Spur für die Retter von der Talbruck über den alten Weg in das Heutal hinein. Dieses Pferd kennt den Weg. Es ließe sich gar nicht anders führen. Das ist wichtig, denn der Weg führt am Kessel vorbei. Bei dieser Schneelage ist dies eine gefährliche Strecke. Weiter führt der Weg auf der ständig lawinengefährdeten Schattseite zum Eggerkaser, in dem seit 1926 eine bescheidene Gastwirtschaft eingerichtet ist. Dem Eggerbauern folgen weitere Pferdege - spanne.
Zwischen den Schlittenkufen werden Ketten gespannt, die Tritte immer wieder einstreichen und auf diese Weise mithelfen, eine Bahn zu schaffen, auf der die ganze Heutaler Almgemeinschaft gleich umgehend aus der Gefahrenzone zu Tal gebracht werden kann. Und es schneit weiter. Es hat sich schnell herumgesprochen, dass überstürzt aufgebrochen wird und es formiert sich rasch eine lange Karawane. Die Tiere gehen hintereinander, Pferdegespanne lassen wieder die Ketten mitlaufen und glätten die Bahn, damit die Tritte verwischt werden und nicht jedes Tier in die Tritte des vorderen steigt.
Wieder spurt das Eggerross, dann folgen 19 Kühe und 2 Kälber mit der Sennerin, der Hörl Moidl. Als nächster Bauer folgt der Neuhauser mit seinen Tieren und der Sennerin, dem Hammerl Dresei (Theresia Posch), ausgerüstet mit einer Schneeschaufel. Die ersten sind schon fast bei der Moosrem, da wird das Licht so komisch, man sieht nichts mehr. Dann verschüttet eine Lawine Mensch und Tier. Der Egger und seine Tiere sind in Sicherheit, aber vom Neuhauser hinter ihm ist nur noch der Stier zu sehen. Jetzt rührt sich dort und da etwas, es muss eine Staublawine gewesen sein. Jeder versucht sich zu orientieren. Weitab vom Weg versucht sich das Dresei aus dem Schnee zu befreien. Ihre Zöpfe haben sich aufgelöst, das Kopftuch hat sie verloren, sie weint. Der Egger- Wast „is doi gwodn“ und schaufelt sie frei. Hinter dem Neuhauserbauern folgen der Schrempf, der Fuchs, der Hammerl, der Fellner, der Kreuzer, der Angerer, der Flatscher und der Unterhager, jeder mit seiner ganzen Herde. Immer geht ein Tier hinter dem anderen, dazwischen der Bauer mit dem Pferd. Unruhe! Warum geht es nicht weiter, jeder will heim, es schneit, schneit, schneit. Die Gefahr wird ständig größer. Es spricht sich langsam nach hinten durch, eine Lawine hat den Weg verschüttet und den Neuhauserbauern und sein Vieh dazu. Jetzt wird mit vereinten Kräften geschaufelt und der Weg für die nachkommenden Tiere notdürftig frei gemacht. Und dabei haben die Bauern eigentlich die größte Angst vor dem auch immer lawinengefährdeten Heutalweg. Und der liegt ja noch weit vor ihnen. Alle sind aus dem Schnee gerettet worden, alle sind heimgekommen. Alle haben bis zur Erschöpfung zusammen geholfen. Diesen Almabtrieb hat niemand, der dabei war, je vergessen können.
Noch eine Wintergeschichte hat mir der alte Egger erzählt. Im Februar 1944 kündigt sich ein scheinbar frühes Frühjahr an. Längst friert es nicht mehr. Weil daheim das Heu über den Winter knapp geworden ist, treibt er sein Vieh wieder ins Heutal. Doch da kommt noch einmal Winterwetter, „ein wahnsinniger Schnee“. Das Vieh ist im Freien und muß dringend zurück in den Stall. Mühsam wird versucht einen Weg zum Kaser zu treten und zu schaufeln. Velemir hilft mit, der bärenstarke jugoslawische Kriegsgefangene, der beim Flatscher arbeitet, und Sretin, „der Serb“ vom Egger. Die leichteren Tiere sinken nicht so tief ein, sie können mühevoll bis zur Hütte gebracht werden. Aber sechs ausgewachsene Kühe, sind vollkommen eingeschneit und scheinen rettungslos verloren. Unter äußerster Kraftanstrengung legen sechs Männer schließlich die schweren Tiere auf Schlitten und ziehen sie zur Hütte. „Die ließen das geschehen. Die Kühe, die waren zu erschöpft, um sich zu wehren.“
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